Akontozahlungen bei Selbstanzeigen – Ein zweischneidiges Schwert

Bisher war es gängige Praxis, bei einer Selbstanzeige zeitgleich eine Akontozahlung an das Finanzamt zu tätigen. Sinn und Zweck dieser Akontozahlung ist es zum einen, einen Milderungsgrund im Strafverfahren (Schadenswiedergutmachung) zu schaffen, zum anderen den Zinslauf der Nachzahlungszinsen zu unterbrechen. Ein weiterer positiver Effekt kommt hinzu – im Falle der Überkompensation wartet ein „lukratives Zinsgeschäft“ auf den Steuerpflichtigen, da der Staat auch die zu viel gezahlten Steuern mit 0,5 % je Monat verzinst.

Die Kehrseite der Akontozahlung ist allerdings, dass sie unter Umständen den Eintritt einer Verjährung des Steueranspruchs des Fiskus verhindern kann. Der BFH (Urt. v. 4.8.2020 – VIII R 39/18) hat in diesem Zusammenhang aktuell entschieden, dass die Festsetzungsverjährung von Steuern gemäß § 171 Abs. 14 AO solange gehemmt ist, wie der Anspruch des Steuerpflichtigen auf Erstattung der Akontozahlung noch nicht verjährt ist (§§ 37 Abs 2, 228 AO).

Eine Akontozahlung sollte daher nicht ohne vorherige Prüfung auf eine diesbezügliche Hemmung der steuerlichen Festsetzungsverjährung gezahlt werden.

Ablauf der Festsetzungsfrist wird durch Akontozahlung gehemmt

Die Festsetzungsverjährung bestimmt sich nach § 169 AO und bedeutet grundsätzlich, dass Steuern, für die die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, nicht mehr vom Fiskus festgesetzt und verlangt werden können. Die Frist zur Festsetzung von Steuern lässt sich allerdings nach § 171 AO hemmen, so dass ein Ablauf der Festsetzungsfrist nicht eintritt und pausiert, solange die Hemmung besteht.

Im vom BFH zu entscheidenden Fall erstatteten die Betroffene im Juli 2013 eine Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung. Zeitgleich leisteten sie eine Akontozahlung in Höhe der zu erwartenden Steuerrückstände an das Finanzamt (FA). Für die streitigen Zeiträume 2002 und 2003 war in strafrechtlicher Hinsicht bereits Verfolgungsverjährung eingetreten. Steuerlich setzte das FA jedoch unter anderem auch für diese Zeiträume durch Änderungsbescheide vom 27.08.2015 Einkommensteuer fest. Die Betroffene griff diese Bescheide mit der Begründung an, bezüglich der streitigen Jahre 2002 und 2003 sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten.

In seiner Entscheidung bestätigte der BFH indessen die Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 2002 und 2003. Die aufgrund der Steuerhinterziehung auf zehn Jahre verlängerte Festsetzungsfrist (vgl. § 169 Abs. 2 S. 2 AO) sei noch nicht abgelaufen. Die Hemmungstatbestände wegen Abgabe einer Selbstanzeige (§ 171 Abs. 9 AO) und wegen eingeleitetem Strafverfahren (§171 Abs. 5 S. 2 AO) lagen beide nicht vor. Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei jedoch aufgrund der Akontozahlung gem. § 171 Abs. 14 AO gehemmt.

Nach der genannten Vorschrift endet die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch so lange nicht, wie ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht zahlungsverjährt (§ 228 AO) ist. Durch die mit der Selbstanzeige im Juli 2003 geleistete Akontozahlung stand der Betroffenen ein im Zusammenhang mit dem Steueranspruch bestehender Erstattungsanspruch gegen das FA zu. Dieser Erstattungsanspruch ist durch die Zahlung im Jahr 2013 entstanden und war zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide im Jahr 2015 noch nicht Zahlungsverjährt. Somit hemmte dieser Anspruch den Ablauf der Festsetzungsverjährung bezüglich der Einkommensteuern für die Jahre 2002 und 2003.

Akontozahlung ohne Rechtsgrund

Auf der einen Seite hat eine Akontozahlung im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige einige positive Effekte (Strafmilderung, Unterbrechung des Zinslaufs, mögliches „Zinsgeschäft“). Andererseits löst, wie beschrieben, eine Akontozahlung auf nachzuzahlende Steuern die Verjährungshemmung nach § 171 Abs. 14 AO aus. Dies hat zur Folge, dass eine Festsetzungsverjährung solange nicht eintritt, wie der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO besteht. Wichtig ist hier allerdings, dass dieser Erstattungsanspruch nur besteht, solange die Akontozahlung ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Mit Erlass der Änderungsbescheide entsteht ein rechtlicher Grund für die Zahlung und der Erstattungsanspruch entfällt. Eine andere Möglichkeit wäre, durch eine vertragliche Vereinbarung (z.B. einen Verwahrungsvertrag i.S.d. § 688 BGB) mit dem Finanzamt solch einen Rechtsgrund zu schaffen. Das Finanzamt könnte auch zu einer Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO aufgefordert werden, um so ggf. einen Rechtsgrund für die Akontozahlung zu schaffen.

Fazit:

Werden also im Rahmen einer Selbstanzeige vom Steuerpflichtigen im Voraus Akontozahlungen an die Finanzkasse auf die zu erwartenden Steuerrückstände gezahlt, ohne dass insoweit schon Bescheide erlassen wurden, so fehlt es regelmäßig an einem Rechtsgrund für die Zahlung. Der Steuerpflichtige hat so einen Anspruch auf Erstattung der Akontozahlung (§ 37 Abs. 2 AO).

Mit freiwilligen Akontozahlungen heißt es somit vorsichtig umzugehen. Eine großzügige Vorauszahlung im Hinblick auf ein zu erwartendes lukratives Zinsgeschäft mit dem Fiskus muss wohl überlegt sein. Hier empfiehlt es sich, gerade im Hinblick auf Steuern, die kurz vor der Festsetzungsverjährung stehen, einen steuerrechtlich versierten Fachmann um Rat zu fragen. Gerne stehen Ihnen unsere Steuerrechtsexperten von dmp Rechtsanwälte bei Fragen zur Verfügung.

Florian Falkenroth
Rechtsanwalt
dmp@derra-ul.de