Coronavirus in Italien – 10 arbeitsrechtliche Fragestellungen und Lösungen in Italien

1. Darf mein Arbeitnehmer noch zur Arbeit ins Büro kommen oder muss er zwingend von zu Hause arbeiten?

Grundsätzlich gilt: Alle Arbeitnehmer sollen von zu Hause arbeiten. Es ist allerdings nicht grundsätzlich verboten, im Büro zu arbeiten. Allerdings sind zahlreiche Betriebe und Geschäfte auf Grund der verschiedenen, im März erlassenen Dekrete, insbesondere des Präsidialdekrets vom 11. und vom 22./25. März 2020 geschlossen. Auch in diesen Unternehmen kann die Tätigkeit fortgesetzt werden, aber nur vom Homeoffice aus.  Wer noch im Büro arbeitet, muss am Arbeitsplatz die Sicherheitsvorschriften – insbesondere die neue Maskenpflicht – beachten, die vom Gesundheitsministerium sowie den jeweils letzten Präsidialdekreten und gesetzlichen Vorschriften vorgeschrieben sind (s. unter Punkt 9).

2. Lohnanspruch, wenn mein Arbeitnehmer erkrankt oder in „Zwangsquarantäne“ ist?

Erkrankt der Arbeitnehmer, erhält er nach den üblichen Vorschriften Lohnfortzahlung.
Gleiches gilt nach dem D.L. Nr. 18 v. 17.03.2020, wenn sich ein Arbeitnehmer in „Zwangsquarantäne“ befindet, weil er Kontakt mit Infizierten hatte oder nach Italien aus einem Coronavirus-Risikogebiet eingereist ist. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer auch nicht von zu Hause arbeiten.
Bis jedenfalls zum 17. Mai 2020 müssen sich nach dem Präsidialdekreten DPCM v. 10.4.2020 und DPCM v. 26.04.2020 alle Personen in Quarantäne begeben, die nach Italien – unabhängig davon, von welchem Ausgangsort – überhaupt nur einreisen. Anderes gilt nur für Arbeitnehmer ausländischer Firmen, die zu Arbeitszwecken nach Italien ein- und binnen 72 Stunden wieder ausreisen; diese müssen nicht in Quarantäne, allerdings eine Erklärung zu ihrem Aufenthalt bei der Gesundheitsbehörde abgeben. Heimkehrende Mitarbeiter italienischer Unternehmen sind von den Vorgaben dieses Dekrets ausgenommen.

3. Lohnanspruch bei Quarantäne ohne behördliche Anordnung

Begibt sich ein Arbeitnehmer freiwillig in Quarantäne, muss er seine arbeitsvertraglichen Pflichten per Smart Working erbringen. Tut er dies nicht, entfällt der Lohnanspruch; außerdem muss er mit Disziplinarmaßnahmen rechnen.

4. Arbeiten im Homeoffice

Die Tätigkeit im Homeoffice ist bislang nur im Bereich der öffentlichen Verwaltung Pflicht, die privaten Arbeitgeber sind allerdings dazu aufgerufen, diese soweit wie möglich anzuwenden.  Wendet der Arbeitgeber das gesetzlich vorgesehene Smart Working an, ist nach Unterrichtung der Arbeitnehmer gegenwärtig eine Anzeige beim Arbeitsamt ausreichend. Außerdem muss der Arbeitnehmer die Informationen der Berufsgenossenschaft INAIL zu den Gesundheitsrisiken erhalten und sollte auch über die Sicherheitsvorschriften am Heimarbeitsplatz informiert werden, denn die Verantwortung für die Sicherheit am Arbeitsplatz liegt weiterhin in der Verantwortung des Arbeitgebers.

5. Betriebsschließung durch Behörden, aber Homeoffice nicht möglich?

In diesem Fall entfällt die Pflicht zur Lohnfortzahlung, da der Umstand der Schließung nicht dem Arbeitgeber zugerechnet werden kann; es besteht aber die Möglichkeit, mit dem Arbeitnehmer zu vereinbaren, die Zeit durch den Abbau von Überstunden durch Freizeitausgleich oder das Nehmen von Urlaub zu überbrücken. Alternativ kann auch auf Kurzarbeit „Cassa Integrazione“ ausgewichen werden.

6. Muss der Arbeitnehmer arbeiten, auch wenn Schule oder Kindergarten geschlossen ist?

Grundsätzlich ja. Die Problematik häuslicher Betreuung hat keine Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis. Mit dem Gesetzesdekret Nr. 18 vom 17. März 2020 wurde allerdings für den Zeitraum der Schließung von Schulen und Kindergärten – in der Zeit vom 5. März bis gegenwärtig 3. Mai 2020 – eine besondere Elternzeit für Eltern mit Kindern bis 16 Jahren von insgesamt 15 Arbeitstagen eingerichtet. Bei Kindern wird diese Elternzeit bis 12 Jahren mit 50% des üblichen Gehalts vergütet und kann durch ein oder beide Elternteile genommen werden können.

7. Kann der Arbeitgeber Urlaub anordnen?

Das kommt darauf an. Grundsätzlich legt in Italien der Arbeitgeber den Urlaub fest, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Unternehmens und der Bedürfnisse des Arbeitnehmers. Der Urlaub muss mit einer angemessenen Zeit im Voraus angekündigt und darf nicht zerstückelt angeordnet werden. Außerdem sind die Reglungen des anwendbaren Tarifvertrags zu berücksichtigen.
Mit Blick auf die Coronakrise kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedenfalls dann einseitig verpflichten, Resturlaub zu nehmen, wenn Homeoffice nicht möglich ist. Es wird auch vertreten, dass der Arbeitgeber bei Arbeit im Homeoffice den Abbau des Resturlaubs – natürlich mit einer ausreichenden Vorlauffrist – anordnen kann. Jedenfalls der Urlaub für das Jahr 2020 sollte einvernehmlich festgelegt werden, denn im Streitfall wird der Arbeitgeber sonst darzulegen haben, dass die Festlegung des Urlaubs unter hinreichender Abwägung der Interessen des Unternehmens und Arbeitnehmers erfolgt ist.

8. Kurzarbeitergeld

Auch in Italien ist es für Unternehmen möglich, Kurzarbeitergeld oder andere Sozialleistungen zu beantragen. Das System ist allerdings komplex und kann hier nicht im Einzelnen dargestellt werden, da es verschiedene sog. Cassa di Integrazione gibt und der Zugang zu den unterschiedlichen Leistungen von Art und Größe sowie der individuellen Situation des Unternehmens abhängt.

9. Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber bezüglich der Arbeitnehmer?

Der Arbeitgeber hat auch in Italien eine Fürsorgepflicht für seine Arbeitnehmer. Dazu gehört insbesondere auch, dass er den Arbeitnehmern die Tätigkeit im Homeoffice ermöglichen muss. Zwingt der Arbeitgeber die Arbeitnehmer, die auch im Homeoffice arbeiten könnten, zur Arbeitsstelle zu kommen, kann er sich schadensersatzpflichtig und ggf. sogar strafbar machen, wenn der Arbeitnehmer am Coronavirus erkrankt. Zu den zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen, die dem Arbeitnehmer zur Kenntnis zu bringen sind, gehört das häufige Händewaschen und wenn möglich Desinfizieren der Hände, die Wahrung eines Abstands zu anderen Personen von einem Meter, Unterlassen des Berührens von Augen, Nase und Mund mit den Händen.
 
Mit Inkrafttreten des Dekrets DPCM vom 26.04.2020 am 4. Mai 2020 wird zudem neben der allgemeinen Empfehlung, bei allen Sozialkontakten Schutzmasken zu tragen, eine landesweite Maskenpflicht eingeführt. Diese gilt in engen, für das Publikum geöffneten Räumlichkeiten, aber auch generell dort, wo der Sicherheitsabstand von 1 Meter nicht gewährleistet werden kann. Eine Maskenpflicht dürfte daher nicht nur im Empfangsbereich eines Unternehmens bestehen, sondern auch in den Büroräumlichkeiten, jedenfalls z.B. in Korridoren, Büroküchen oder Großraumbüros, wo der Sicherheitsabstand nicht durchgängig einzuhalten sein wird. Dem Arbeitgeber ist anzuraten, vor dem 4. Mai 2020 ausreichend Masken zu beschaffen und Arbeitnehmern sowie Besuchern zur Verfügung zu stellen.
 
Ansonsten muss er die Anweisungen des Gesundheitsministeriums sowie die Dekrete und aktuellen Rechtsnormen beachten, die Informationen zum Gesundheitsschutz aushängen und allgemein die Vorschriften zur Sicherheit am Arbeitsplatz beachten.
 

10. Kann ich Arbeitnehmern kündigen, weil es meinem Unternehmen schlecht geht?

Das kommt darauf an. Vom 17.03.2020 bis zum 17.08.2020 waren auf Grund verschiedener aufeinander folgender gesetzlicher Regelungen generell keine Massenentlassung und keine betriebsbedingten Kündigung zulässig. Derartige in diesem Zeitraum ausgesprochene Kündigungen sind nichtig. Andere Kündigungen, z.B. aus verhaltensbedingten Gründen oder aus wichtigem Grund, blieben und bleiben zulässig. 

Seit dem sog. Decreto Agosto gilt das strenge Verbot von betriebsbedingten Kündigungen und Massenentlassungen nun nicht mehr – dafür war nicht immer klar, wann und unter welchen Voraussetzungen betriebsbedingt gekündigt werden kann, insbesondere wenn kein Kurzarbeitergeld wegen Corona in Anspruch genommen werden konnte und die Arbeit aus anderen Gründen entfallen war.

Diese Unklarheit hat der Gesetzesgeber bei der Umwandlung des D.Lgs „Agosto“ in das Decreto Legge n. 137/2020 „Ristori“ v. 28.10.2020 beseitigt. Ab dem 29.10.2020 gilt: betriebsbedingte Kündigungen sind bis 31.01.2020 erneut unzulässig und mithin nichtig.

Außerdem wurde die Möglichkeit gestrichen, betriebsbedingte Kündigungen zeitlich unbefristet bei gleichzeitiger Beantragung von Kurzarbeitergeld ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses zurückzunehmen und das Arbeitsverhältnis ohne Sanktionen fortzusetzen.

Ausnahmen vom Verbot einer betriebsbedingten Kündigung bestehen weiterhin in drei Fällen: das Unternehmen befindet sich ohne auch nur zeitweilige Fortführung seiner Geschäftsaktivitäten in Liquidation, es wurde eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften mit Abfindung getroffen oder das Unternehmen befindet sich in der Insolvenz ohne vorübergehende Fortführung.

Wichtig: Auch wenn der Arbeitgeber widerrechtlich gekündigt hat, ist noch nicht alles verloren. Er kann die Kündigung binnen 15 Tagen nach Zugang der notwendigen außergerichtlichen Anfechtung durch den Arbeitnehmer einseitig widerrufen.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei den obigen Ausführungen um allgemeine Anmerkungen zur aktuellen Lage handelt, die sich stetig ändert. Die Situation ist in vielen Bereichen unübersichtlich und neu, so dass weitere Entwicklungen abzuwarten bleiben. Ebenso ersetzen diese Hinweise keinesfalls eine auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmte Rechtsberatung. Für weitere Informationen und eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Anwälte von dmp selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.

Dr. Stefanie Lebek
Rechtsanwältin
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