Das neue deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz -Herausforderung für ausländische Unternehmen

Nun wird es langsam ernst: Am 01.01.2023 tritt das neue deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Ziel des Gesetzes ist, den Schutz der Menschenrechte sowohl im eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens (im In- und Ausland) als auch in seinen globalen Lieferketten (Beschaffung und Vertrieb) mit Drittunternehmen zu verbessern – so z.B. das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit – und die Einhaltung grundsätzlicher Umweltstandards zu gewährleisten. Ist die Anpassung an den neuen Gesetzesrahmen bereits für deutsche Unternehmen herausfordernd ist, stellt die Umsetzung noch komplexere Herausforderungen für ausländische Unternehmen, die ebenfalls von den Folgen des LkSG berührt sein können. Ein Kurzüberblick.

Wer muss das LkSG beachten?

Adressaten des LkSG sind Unternehmen a) mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungs- oder satzungsmäßigem Sitz in Deutschland und b) einer Arbeitnehmerzahl von in der Regel mindestens 3.000 (ab 2024 1.000) Arbeitnehmern. Auch ausländische Unternehmen können unmittelbare Adressaten des LkSG sein, wenn sie eine Zweigniederlassung mit der entsprechenden Arbeitnehmerzahl in Deutschland.
Zudem betroffen sind alle Zulieferer solcher großer Unternehmen entlang der Lieferkette, entweder als unmittelbare Zulieferer, wenn sie ein solches Unternehmen direkt beliefern oder als mittelbare Zulieferer, wenn sie einen anderen Zulieferer beliefern. Und zwar auch dann, wenn es sich um Zulieferer aus dem Ausland handelt. Gerade mit Blick auf Italien wird das LkSG also relevant, da hier sehr viele Zulieferer von großen deutschen Firmen ansässig sind – man denke nur an die Auto- oder Chemieindustrie.

Was legt das LkSG fest?

Das LkSG formuliert einen umfangreichen Katalog an menschenrechtlichen und umweltrechtlichen Standards, die im eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens und entlang der gesamten Lieferkette eingehalten werden müssen. Erfasst sind auf menschenrechtlicher Seite z.B. das Verbot von Arbeit für Kinder unter 15 Jahren oder das weitgehende Verbot von Zwangsarbeit, auf umweltrechtlicher Seite z.B. das Verbot besonders schwerwiegende Umweltverschmutzungen. Insgesamt ergeben sich die geschützten Rechtspositionen aus den internationalen Übereinkommen, die in dem Gesetz genannt sind.

Welche neuen Pflichten ergeben sich für den Zulieferer mit Sitz im Ausland?

Unternehmen, die dem LkSG unterliegen, trifft ein umfangreicher Katalog an Pflichten bei der Einhaltung oder dem Bemühen um Einhaltung der menschen- und umweltrechtlichen Standards. Hierzu sind etliche verbindliche Maßnahmen vorgesehen werden, die nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch seine Zulieferer betreffen, u.a. eine Risikomanagementsystem und regelmäßige Risikoanalysen, Präventionsmaßnahmen unter Berücksichtigung der unmittelbaren Zulieferer, konkrete Abhilfemaßnahmen (bis zum Abbruch der Geschäftsbeziehung) auch bei unmittelbaren Zulieferern, die Umsetzung von Sorgfaltspflichten für Risiken bei mittelbaren Zulieferern sowie die Einrichtung von Beschwerdeverfahren.

Diese Unternehmen müssen die Einhaltung entlang ihrer Lieferkette gewährleisten: dazu müssen sie ihre unmittelbaren Zulieferer (auch im Ausland) unter Berücksichtigung der Anforderungen des LkSG auswählen und diese vertraglich zur Einhaltung der deutschen Standards – auch entlang der eigenen weiteren Lieferkette (also bei den mittelbaren Zulieferern)  – verpflichten. Unmittelbare Zulieferer müssen dabei u.a. entsprechende Schulungen durchführen (lassen) und regelmäßige Kontrollen durch das Unternehmen dulden.

Auch mittelbare Zulieferer (auch im Ausland) werden die Anforderungen des LkSG beachten müssen, da unmittelbare Zulieferer ihre Verpflichtungen in der Regel vertraglich an diese weitergeben werden. Auf Anlass hin kann das in Deutschland tätige Unternehmen jedenfalls bei konkreten Verdachtsfällen auch bei mittelbaren Zulieferern Kontrollen durchführen und Unterstützungsmaßnahmen durchführen. Zwar können behördliche Sanktionen nur gegen das in Deutschland tätige Unternehmen verhangen werden. Bei Vertragsverletzungen durch Zulieferer bleiben jedoch Schadensersatzansprüche möglich.

To-do-Liste für ausländische Zulieferer eines in Deutschland tätigen Unternehmens

Ausländische Zulieferer tun sich gut daran, ihre eigene Produktion und ihre gesamte Lieferkette auf die deutschen Standards hin zu überprüfen und alle Informationen systematisch zusammenzutragen. Grundsätzlich empfiehlt sich der Einsatz von Lieferantenkodexen, um Verpflichtungen entlang der Lieferkette sicherzustellen und den nach dem LkSG verpflichteten Unternehmen gegenüber geforderte Nachweise erbringen zu können; hier ist gegebenenfalls auch die Zusammenarbeit in branchenübergreifenden Initiativen, insbesondere in Niedriglohnländern ratsam.

Anpassungspflichten bei Altverträgen und Pflicht zur Beendigung von bestehenden Lieferverträgen?

Da sich die neuen Pflichten für Zulieferer nicht aus dem Gesetz, sondern nur aus Vertrag ergeben, kann eine Verpflichtung des bestehenden Zulieferers grundsätzlich nur eintreten, wenn dieser selbst den neuen Bedingungen im Wege einer Vertragsänderung zustimmt. Muss man aber als bestehender Zulieferer mit Konsequenzen wie etwa einer Kündigung rechnen, wenn man diese Zustimmung verweigert? Das LkSG selbst und dessen Systematik sehen solch drastische Folgen nicht zwingend vor. Daher dürfte eine Weigerung zur Vertragsanpassung wohl nicht zwingende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – auch wenn sie sich praktisch negativ auf die zukünftige Geschäftsbeziehung auswirken können. Zulieferer müssen erst beim Abschluss neuer Verträge nach Inkrafttreten des LkSG mit den neuen Verpflichtungen rechnen. Darauf sollten sie sich aber rechtzeitig vorbereiten.

Dr. Stefanie Lebek
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
lebek@derra.it

Max Auwärter
Studentischer Mitarbeiter
dmp.milano@derra.it