Durchsuchung bei Apotheker wegen des Vorwurfs des Abrechnungsbetrugs

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Neben Ärzten und Pflegediensten geraten zunehmend auch Apotheker wegen Abrechnungsbetrugs in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden. Der Vorwurf des Betrugs kann dabei aus verschiedensten Gründen erhoben werden, etwa durch die Abgabe von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln unter Abrechnung eines Preises für ein in Deutschland zugelassenes Präparat. Ebenso kommt eine Strafbarkeit wegen so genannter „Luftrezepte“ in Betracht: Hierbei leitet der Apotheker Rezepte an die Krankenkasse weiter, obwohl die verordneten Arzneimittel tatsächlich nicht abgegeben wurden. Eine weitere Fallgruppe liegt dem Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 10.03.2022 – 12 Qs 6/22 zu Grunde, in dem es um die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen gegenüber Krankenkassen geht, die unter Verstoß gegen Berufsrecht zustande gekommen sind.

Vorwurf der rechtswidrigen Zuweisung ärztlicher Rezepte an Apotheker

Dem in diesem Ermittlungsverfahren beschuldigten Apotheker wird vorgeworfen, er habe mit einem Unternehmen, das medizinische Hilfsmittel vertreibt, eine unzulässige Absprache dahingehend getroffen, dass dieses ihm ärztliche Verschreibungen zuweise. Das Unternehmen habe Rezepte für bestimmte Arzneimittel bei den verschreibenden Ärzten „eingesammelt“ und an den Apotheker weitergegeben. Darin liegt nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft und des Landgerichts ein Verstoß gegen § 11 ApoG; die Leistungen des Apothekers seien gegenüber den Krankenkassen folglich nicht abrechenbar. Da der Beschuldigte dies gleichwohl getan habe, sei den Krankenkassen ein Schaden entstanden und ein Anfangsverdacht des Betrugs gemäß § 263 Absatz 1 StGB gegeben.

Strafrechtliche Einordnung: Abrechnungsbetrug?

Ist die Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten den Straftatbestand des Betruges erfüllt, schon im Allgemeinen nicht immer einfach, gilt dies erst Recht im hier vorliegenden speziellen Fall des mutmaßlichen Abrechnungsbetrugs durch Apotheker.

Denn zunächst muss dem Beschuldigten eine Täuschung über Tatsachen nachgewiesen werden. Nach geltender Rechtsprechung erklärt ein Apotheker, der am Abrechnungssystem der Krankenkassen teilnimmt, bei seinen Abrechnungen stillschweigend, dass er bestehende sozialrechtliche Erstattungsansprüche unter Einhaltung der abrechnungsrechtlichen Maßgaben geltend macht. Damit der Vergütungsanspruch des Apothekers besteht, müssen – neben weiteren Voraussetzungen – die Abgabevorschriften inhaltlicher Art eingehalten worden sein. Die Entstehung des Vergütungsanspruchs steht unter der Bedingung der Einhaltung kollektivvertraglicher Regelungen. Solche Regelungen finden sich etwa im Rahmenvertrag zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband, dem Arzneiversorgungsvertrag zwischen dem Verband der Ersatzkassen und dem Deutschen Apothekerverband oder etwa dem Arzneimittelversorgungsvertrag Bayern. Auch ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 11 Absatz 1 ApoG, nach der Apotheker mit Ärzten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen dürfen, die die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben, führe zum Erlöschen des Vergütungsanspruchs, so das Landgericht. Bei dieser Vorschrift handele es sich um eine zentrale Berufsausübungsvorschrift für Apotheker. Der beschuldigte Apotheker habe gegenüber der Krankenkasse gewissermaßen „stillschweigend“ erklärt, dass diese Regel von ihm eingehalten worden sei. Tatsächlich sei dies angesichts der abgesprochenen Zuweisungen von Arzneimitteln nicht der Fall gewesen. Dementsprechend habe sich der jeweilige mit der Abrechnung betraute Mitarbeiter der Krankenkasse über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 11 Absatz 1 ApoG geirrt und die Vergütung ausbezahlt. Den Krankenkassen sei so ein Schaden entstanden, weil sie auf einen tatsächlich nicht bestehenden Erstattungsanspruch geleistet habe. Dass im Ergebnis der Patient dennoch das tatsächlich benötigte Produkt erhalten hat, spielt bei der strafrechtlichen Schadensbeurteilung nach der Rechtsprechung letztlich überhaupt keine Rolle („streng formale Betrachtungsweise des Sozialversicherungsrechts“).

Begleiterscheinungen eines Ermittlungsverfahrens wegen Abrechnungsbetrugs

Verfahren wegen Abrechnungsbetrugs – gleich gegen wen sie sich richten – gehen nahezu immer mit Durchsuchungen in Praxisräumen und oftmals auch in der Privatwohnung des Beschuldigten einher, bei denen Patientenakten und andere Dokumente sichergestellt oder beschlagnahmt werden. Sollte es im weiteren Verlauf zu einer Verurteilung des Apothekers wegen (Abrechnungs-)Betruges kommen, werden auch die auf diesem Wege erzielten Einnahmen eingezogen. Überdies können weitere Konsequenzen in berufsrechtlicher Hinsicht, schlimmstenfalls der Widerruf der Approbation drohen.

Fazit

Die Entscheidung zeigt, dass auch Apothekern die Kenntnis komplexer gesetzlicher Regelungen zum Abrechnungswesen sowie zum Berufsrecht abverlangt wird. Werden die Vorgaben nicht eingehalten, ist die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Betrugs zulasten der Krankenkassen möglich. Die damit einhergehenden Belastungen, die sowohl in dem Verfahren selbst liegen können (etwa bei Durchsuchungen), mit denen sich ein Beschuldigter aber auch vor seinem Umfeld konfrontiert sehen kann (Reputationsschäden), sind immens und sollten durch frühzeitige Einschaltung eines spezialisierten Strafverteidigers möglichst klein gehalten werden.

Rechtsanwalt Dr. Tobias Wickel 
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