In wirtschaftsstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind Geschäftsleitung und Mitarbeiter betroffener Unternehmen oft mit – meist unangekündigten – Wohn- oder Geschäftsraumdurchsuchungen konfrontiert. In der strafrechtlichen Beratung ist hierbei immer wieder festzustellen, dass weder Mitarbeiter, noch die Geschäftsleitung auf den Besuch der Staatsanwaltschaft und/oder Kriminalpolizei vorbereitet sind.
Ob bei Ermittlungen in der Automobilbranche („Diesel-Abgas-Skandal“), der Banken- und Finanzwirtschaft oder im FinTech Bereich (Cum-Ex, „Wirecard“ etc.), in sämtlichen Wirtschaftsbereichen und für jeden Verantwortlichen von mit Durchsuchungen betroffener Unternehmen ist es von existenzieller Bedeutung, auf solche außergewöhnlichen Situationen vorbereitet zu sein und mit Leitlinien und Verhaltensanweisungen die verantwortlichen Mitarbeiter zu schulen.
Durchsuchungen, Sicherstellung und Beschlagnahme finden dabei nicht nur in Unternehmen statt, deren Verantwortliche strafrechtlich beschuldigt werden. Oft erfolgt eine Durchsuchung in Unternehmen als sog. „unverdächtige Dritte“ nach § 103 StPO zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände.
Im nachfolgenden Beitrag werden kurze Verhaltensempfehlungen dargestellt, die keinesfalls abschließend und auch nicht als generelle „Segelanweisung“ verstanden werden können.
Prüfung des richterlichen Durchsuchungsbeschlusses
Die Basis jeder Durchsuchung ist ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss. Aus diesem muss sich der Gegenstand einer Durchsuchung ergeben, d.h. wonach und wo gesucht werden soll, sowie gegen wen und warum das Ermittlungsverfahren geführt wird.
Es gelten die Grundsätze
- Ruhe bewahren und kooperieren, aber schweigen,
- sowie (!) keine freiwillige Herausgabe von Daten und Gegenständen,
- d.h. Widerspruch gegen Sicherstellung und Beschlagnahme,
- eine/n strafrechtlich versierten Rechtsanwalt/in beiziehen und die Geschäftsleitung informieren.
Zu Beginn der Durchsuchung ist der Durchsuchungsbeschluss inhaltlich zu prüfen, d.h. stimmt der Adressat, ist inhaltlich konkret beschrieben wo und wonach gesucht werden soll. Fehler im Durchsuchungsbeschluss sind zu protokollieren und der Durchsuchung ist gegenüber den Ermittlungspersonen schriftlich zu widersprechen.
Eine Durchsuchung wird sich zu diesem Zeitpunkt jedoch kaum mehr vermeiden lassen und es darf auf keinen Fall aktiver Widerstand gegen Ermittlungsmaßnahmen getroffen; dies wäre unter Umständen strafbar.
Anwesenheitsrecht und Kontaktierung eines Rechtsanwalts
Der von einer Durchsuchung Betroffene hat stets das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein. Hiervon sollte unbedingt Gebrauch gemacht werden. In jedem Falle sollten geeignete Mitarbeiter bestimmt werden, die die Ermittlungspersonen bei ihren Durchsuchungshandlungen auf Schritt und Tritt begleiten sowie jede Handlung lückenlos protokollieren.
Der Telefonkontakt zu einem Rechtsanwalt darf nicht verweigert werden. Vertreten die Ermittlungspersonen den Standpunkt, ein Telefonat würde das Untersuchungsergebnis gefährden, muss darauf bestanden werden, dass ein Ermittlungsbeamter den benannten Anwalt vor Beginn der Durchsuchungsmaßnahme anruft. Kann ein Rechtsanwalt erreicht werden, ist der Durchsuchungsleiter zu bitten, mit der Durchsuchung bis zum Eintreffen des Anwaltes zu warten. Aber Achtung: Hierauf besteht kein Anspruch, allein deshalb empfiehlt sich ein höflicher Umgangston.
Der Versuch, während oder unmittelbar vor der Durchsuchung heimlich Unterlagen zu vernichten oder Daten zu löschen, kann bei Entdeckung unmittelbar zu einer Inhaftierung führen (Verdunklungsgefahr).
Kooperation ja – Angaben zur Sache und freiwillige Herausgabe nein
Während der Durchsuchung sollte versucht werden, die geforderten Informationen und Gegenstände einzugrenzen. Wenn möglich sollte in Abstimmung mit den Ermittlungspersonen gezielt Kopien oder Images der gesuchten Datenträger oder Unterlagen angefertigt werden. In jedem Falle sollte vermieden werden, Gegenstände und Daten herauszugeben, die nicht vom Durchsuchungsbeschluss umfasst werden. Allerdings gilt auch hier, dass im Einzelfall mit Fingerspitzengefühl vorgegangen werden sollte, um zu verhindern, dass seitens der Ermittlungspersonen die gesamte Hardware (Server und sonstige IT-Speichermedien) sichergestellt wird.
Grundsätzlich sollte mit den Ermittlungspersonen kooperiert werden. Allerdings sollte sich die Kooperation in höflichem und freundlichem Verhalten erschöpfen. Angaben zur Sache sollten – ohne Rücksprache mit einem Verteidiger – auch bei hartnäckigem Nachfragen auf keinen Fall erfolgen. Neben dem Beschuldigten, der in einem Strafverfahren zu keinem Zeitpunkt Angaben machen muss, gilt auch für Zeugen, dass sich diese vor einer Aussage stets mit einem Rechtsanwalt besprechen dürfen. Zudem kann der Inhaber der Räume als Hausherr Vernehmungen in seinen Räumen untersagen – ein Durchsuchungsbeschluss berechtigt nicht zur Vernehmung.
Der Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen, Unterlagen und Daten sollte in jedem Fall ausdrücklich widersprochen und eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden.
Checkliste – die wichtigsten Punkte im Überblick
- Beschluss zeigen lassen und prüfen: Stimmen die Angaben? Sind Sie Beschuldigter (§ 102 StPO) oder Dritter (§ 103 StPO)?
- Geschäftsleitung und Rechtsanwalt verständigen
- Kooperieren – aber Schweigen!
- Kein Ermittlungsbeamter bewegt sich ohne Begleitperson des Unternehmens, die das Vorgehen lückenlos protokollieren.
- Die Ermittlungsbeamten bedienen die IT nicht selbst. Das macht ein Mitarbeiter des Unternehmens im Beisein der Ermittlungsbeamten.
- Für das Unternehmen gilt: Hausrecht wahren! Es werden grundsätzlich im Zuge der Durchführung der Durchsuchung keine Gespräche der Ermittlungsbeamten mit Mitarbeitern zugelassen. Befragungen und Vernehmungen erfolgen gesondert und zeitlich deutlich versetzt im Nachgang zur Durchsuchung und wenn, dann nur im Beisein eines Rechtsanwaltes
- Für die Mitarbeiter gilt: Vernehmungen und Befragungen werden nicht gestattet. Beschuldigte verweisen auf ihr Schweigerecht, Zeugen auf ihr Recht einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen und bei der Polizei – ohne eine ordnungsgemäße Ladung – während laufender Durchsuchung keine Angaben machen zu müssen.
- Kopien und Images anfertigen.
- Nichts freiwillig herausgeben, sondern der Sicherstellung und Beschlagnahme widersprechen.
- Widerspruch im Durchsuchungsprotokoll vermerken lassen.
- Sicherstellungsverzeichnis über sichergestellte und/oder beschlagnahmte Gegenstände sowie Daten kontrollieren und aushändigen lassen.
- Nach der Durchsuchung interne Besprechung der beteiligten Mitarbeiter und protokollieren.