Helle Aussicht trotz Schwarzarbeit

Ermittelt ein Hauptzollamt (HZA) im Zusammenhang mit Schwarzlohnzahlungen wegen des Vorwurfs des Vorenthaltens oder Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen (§266a StGB), so ist es gängige Praxis des HZA, sich an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) zur Berechnung des Schadens (der geschuldeten, aber nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge) zu wenden.

In dieser Konstellation erlässt die DRV üblicherweise einen sog. Summenbescheid gemäß § 28f Abs. 2 SGB IV über die nicht abgeführten Sozialbeiträge. Mit diesem Summenbescheid werden die gesamten Sozialversicherungsbeiträge in einer Summe festgesetzt und nachgefordert. Problematisch hieran ist allerdings, dass sich die nachgeforderten Beiträge in einem solchen Summenbescheid einzelnen Arbeitnehmern nicht zuordnen lassen. Die Festsetzsetzung von Beitragsnachforderung in einer Summe mittels Summenbescheid ist aber nur dann zulässig, wenn sich ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand feststellen lässt, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Ist dies nicht möglich, muss die DRV die Beiträge schätzen (vgl. § 28f Abs. 2 S. 1 -3 SGB IV).

Rechtmäßigkeit des Summenbescheides:

28f Abs. 2 S.1 SGB IV räumt der DRV hierbei ein Ermessen bezüglich des Erlasses eines Summenbescheids ein. Lässt sich aber ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand feststellen, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelte einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden können (vgl. § 28f Abs. 2 S. 2 SGB IV) fällt dieses Ermessen weg und die DRV ist verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge konkreten Beschäftigen zuzuordnen.

Diese personenbezogene Zuordnung hat nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 17.12.1985 – RK 30/83) auch dann zu erfolgen, wenn der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht verletzt hat und die Sachverhaltsaufklärung dadurch erschwert wird, jedoch nicht unmöglich ist. Ein Summenbescheid ist daher nur zulässig, soweit die Zuordnung der Sozialversicherungsbeiträge zu den einzelnen Beschäftigten unmöglich ist (BSG, Urt. v. 31.10.2012 – B 12 R 1/11 R).

Erlässt die Deutsche Rentenversicherung (DRV) einen Summenbescheid nach § 28f Abs. 2 S. 1 SGB IV alleine auf Basis der Ermittlungsergebnisse der Zollverwaltung und führt in diesem aus, dass keine Verpflichtung zu eigenen oder ergänzenden Ermittlungen bestehe, so ist der Bescheid bereits wegen Ermessensnichtgebrauch rechtswidrig. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf den Summenbescheid, sondern kann sich auch auf das Strafverfahren auswirken.

Warum aber misst das BSG dem Erlass eines Summenbescheides so eine hohe Hürde zu?

Sozialversicherungsbeiträge sind keine Abgaben im Sinne von Steuern. Vielmehr stehen den Sozialabgaben konkrete Leistungsansprüche der Arbeitnehmer entgegen. Dieser Leistungsanspruch kann verloren gehen, wenn die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge nicht den einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden, sondern im Rahmen eines Summenbescheides in einer Summe nachgefordert werden. Die Rentenanwartschaft des einzelnen Arbeitnehmers ist von solchem Gewicht, dass eine konkrete Zuordnung der Beiträge  auch dann erfolgen muss, wenn diese mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist und nur unter Inkaufnahme eines verwaltungsmäßigen Mehraufwandes erreichbar ist (vgl. Bayerisches LSG unter Verweis auf BSG, Urt. v. 17.12.1985 – 12 RK 30/83).

Beruft sich jetzt die DRV, ohne eigene Ermittlungen anzustellen, alleine auf das Ermittlungsergebnis des HZA und argumentiert damit, zu eignen Ermittlungen nicht verpflichtet zu sein, so ist dieser Bescheid bereits wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig. Zwar führt das Fehlen einer eigenen Betriebsprüfung durch die DRV alleine nicht zur Rechtswidrigkeit der Beitragsbescheide. Das Sozialgericht Heilbronn (Urt. v. 15.6.2020 – S 1 BA 1333/20 ER) betont aber jüngst, das Vorliegen eines Ermittlungsergebnisses des HZA entbinde die DRV nicht von der Pflicht, den Sachverhalt pflichtgemäß zu ermitteln. Insbesondere gilt dies, wenn der DRV Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich gegebenenfalls genau das Gegenteil des zugrunde gelegten Ermittlungsergebnisses ergibt. Strafrechtliche Ermittlungen des Zolls nach § 2 SchwarzArbG und die Unterstützung durch die Rentenversicherungsträger ersetzen eine sozialverfahrensrechtliche Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV nicht.

Fazit:

Gegen einen Summenbescheid lohnt es sich alle verfügbaren Rechtsmittel einzulegen. Dies hat noch einen weiteren Grund: Auf Antrag wird das Strafverfahren regelmäßig so lange ausgesetzt, bis die sozialversicherungsrechtlichen Vorfragen geklärt sind (§ 154d StPO). Die Aussetzung des strafrechtlichen Verfahrens führt jedoch weder zu einer Unterbrechung noch zu einem Ruhen der Verjährung. Die fünfjährige Verjährungsfrist bei § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB beginnt nach dem Wandel in der Rechtsprechung (vgl. Anfragebeschluss des 1. Senats des BGH v. 13.11.2019 – 1 StR 58/19) mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes, mithin mit Ablauf des drittletzten Bankarbeitstages des jeweiligen Beschäftigungsmonats.

Berücksichtigt man nun, dass sich ein Verfahren gegen den Summenbescheid der DRV über Jahre ziehen kann, besteht begründete Aussicht darauf, dass das Strafverfahren irgendwann in die Verjährung läuft und bereits deswegen einzustellen ist.

Florian Falkenroth

Rechtsanwalt

dmp@derra-ul.de