Erleichterungen im Insolvenz-, Gesellschafts- und Strafrecht durch das COVID-19-Gesetz

Der Gesetzesentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 16.03.2020 ist innerhalb kürzester Zeit am 25.03.2020 vom Bundestag verabschiedet worden. Der Bundesrat stimmte dem Vorhaben am 27.03.2020 zu, so dass das Gesetz noch am gleichen Tag in Kraft treten konnte. Nachfolgend stellen wir die wichtigsten Änderungen im Insolvenzrecht, Strafrecht und Gesellschaftsrecht dar.

I. Insolvenzrecht: Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Die COVID-19-Pandemie trifft bundesweit nahezu alle Lebensbereiche. Die Schließung von Unternehmen bestimmter Branchen, von Schulen und Kindertageseinrichtungen, das Verbot von Veranstaltungen, Grenzschließungen sowie die weltweiten Reisewarnungen lassen eine Welle von Unternehmensinsolvenzen in einem nie dagewesenen Umfang befürchten. Neben zahlreichen Hilfspaketen für betroffene Personen und Unternehmen wurden mit dem COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG) speziell auf dem Gebiet des Insolvenzrechts zeitlich begrenzte Regelungen im Hinblick auf die Insolvenzantragspflicht sowie flankierende Änderungen beschlossen.

1. Wesentlicher Inhalt der Neuregelung

Kern der Neuregelung ist eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Geschäftsleiter von haftungsbeschränkten Unternehmensträgern (insbesondere Vorstände von Aktiengesellschaften, Geschäftsführer einer GmbH oder UG), aber auch für Vorstände von Vereinen.
Dies gilt aber nur dann, wenn die wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus beruht und die Aussicht besteht, dass die Zahlungsunfähigkeit wieder überwunden werden kann. Hierzu wiederum wird die gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass die beiden vorgenannten Voraussetzungen vorliegen, wenn das Unternehmen zum 31.12.2019 noch nicht zahlungsunfähig war.
Als Folge dieser Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sind auch –  anderenfalls haftungs- und strafbewehrte –  Zahlungsverbote für die Geschäftsleiter außer Kraft gesetzt, soweit die Zahlungen insbesondere der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen.
Schließlich werden auch Anfechtungsrechte gegenüber neuen Geldgebern, selbst wenn diese dem Gesellschafterkreis des Unternehmens zuzuordnen sind, und Vertragspartnern aus Dauerschuldverhältnissen (z.B. Vermieter und Leasinggeber) für geleistete Zahlungen weitgehend ausgeschlossen, wenn es zu einer späteren Insolvenz kommen sollte. Gleiches gilt für die Anfechtung von Sicherheitengewährungen für Nichtgesellschafter.
Nicht zuletzt sind für einen befristeten Zeitraum auch Insolvenzanträge von Gläubigern nicht zulässig, soweit die Zahlungsunfähigkeit nicht bereits zum 01.03.2020 vorlag.

2. Motivation des Gesetzgebers

Mit den vorgenannten gesetzlichen Regelungen im Insolvenzrecht soll die Fortführung von Unternehmen – obwohl derzeit verlässliche Prognosen und Planungen für deren weitere wirtschaftliche Entwicklung kaum möglich sind – überhaupt erst möglich gemacht bzw. erleichtert werden.
Dritte sowie auch Gesellschafter selbst sollen ermuntert werden – ohne Haftungs- und Anfechtungsrisiken – Sanierungskredite zu gewähren und die Geschäftsbeziehung zum insolvenzreifen Unternehmen aufrecht zu erhalten.
Die Unternehmer bzw. Geschäftsleiter sollen zudem die erforderliche Zeit bekommen, um die notwendigen Vorkehrungen zur Beseitigung der Insolvenzreife zu treffen, staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen und Finanzierungs- und Sanierungsvereinbarungen mit Gläubigern und Kapitalgebern abzuschließen.

3. Adressat der Neuregelungen und Geltungsbereich

Die vorstehend aufgeführten Regelungen richten sich an Unternehmen bestimmter Rechtsformen, für welche bislang eine uneingeschränkte gesetzliche Insolvenzantragspflicht bestand. Für Einzelunternehmer, die ohnehin keiner Insolvenzantragspflicht unterliegen, bleibt noch der auch für sie mitgeregelte, weitgehende Ausschluss von Anfechtungen bei späterer Insolvenz.
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt rückwirkend ab dem 01.03.2020 bis zunächst 30.09.2020, kann aber noch bis zum 31.03.2021 verlängert werden, wenn dies geboten erscheint. Die Besserstellung von Kreditrückgewährungen (auch an Gesellschafter) gilt sogar für  Zeiträume bis zum 30.09.2023.


II. Strafrechtliche Aspekte

1. Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung

Die nunmehr geregelte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO wirkt sich auch auf eine etwaige Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung aus. Wer es bisher unterließ, bei Eintritt der Insolvenzreife – Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung – einer juristischen Person spätestens innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen, machte sich strafbar. Wenn die Gesellschaft bis 31.12.2019 zahlungsfähig war, wird nach den neuen Corona-Regelungen vermutet, dass eine Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten bestehen, eine etwaige Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. In der Zeit ab dem 01.03.2020 bis zunächst 30.09.2020 ist daher (aber auch nur dann!) bei einer auf der COVID-19-Pandemie beruhenden Zahlungsunfähigkeit auch eine Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung ausgeschlossen.
Im Falle einer dennoch eintretenden Insolvenz mit strafrechtlichem Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung dürften sich hierbei aber gute Verteidigungsansätze ergeben und es dürfte für die Staatsanwaltschaft im Einzelfall sehr schwierig sein, den Tatnachweis zu führen, die Insolvenz sei nicht CORONA bedingt.
Zu beachten bleibt jedoch dringend, dass die Strafbarkeit der im StGB geregelten Bankrottstraftaten der §§ 283 ff StGB wie beispielsweise das Beiseiteschaffen von Vermögenswerten, Verletzung der Buchführungspflicht und Bilanzdelikte, etc. gleichwohl bestehen bleibt. Das COVInsAG ist kein Freibrief für Insolvenzstraftaten!

2. Exkurs: Abführung von Sozialversicherungsbeiträge während der Coronakrise

In Zeiten finanzieller Krisen und Liquiditätsengpässen ist immer auch darauf zu achten, dass Sozialversicherungsbeiträge rechtzeitig abgeführt werden, da andernfalls eine Strafbarkeit nach § 266a StGB droht. Nach einer Meldung des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) können Unternehmen, die in Folge der Corona-Krise in finanzielle Schwierigkeiten geraten, bei den jeweiligen Krankenkassen einen Stundungsantrag stellen. Der GKV-Spitzenverband empfahl allen gesetzlichen Krankenkassen, solche Stundungen der Sozialversicherungsbeiträge vorübergehend zu erleichtern.
Arbeitgeber und Unternehmen sollten sich daher rechtzeitig (vor dem Ablauf des drittletzten Bankarbeitstages des Monats, in dem die Beschäftigung ausgeübt wurde) mit den jeweiligen Krankenkassen in Verbindung setzen und schriftlich unter nachvollziehbarer Darlegung der Corona bedingten finanzielle Schwierigkeiten einen Stundungsantrag stellen. Die Entscheidung über eine Stundung trifft dann die zuständige Krankenkasse. Wird diese bewilligt, so sollte dringend auf eine schriftliche Bewilligung geachtet werden, um ggf. später eine Stundung nachweisen zu können.
Bis zu einer Entscheidung über eine Stundung müssen die Sozialversicherungsbeiträge rechtzeitig abgeführt werden, da ansonsten eine Strafbarkeit nach § 266a StGB mit Geld- und Freiheitstrafe drohen kann.

 

III. Gesellschaftsrecht – Erleichterungen bei Haupt- und Mitgliederversammlungen

Das COVID19-Gesetz sieht verschiedene Regelungen im Bereich des Gesellschaftsrecht vor, die vor dem Hintergrund einer derzeit nicht gegebenen Versammlungsmöglichkeit eine Beschlussfassung von Organen erleichtern sollen.
Für Aktiengesellschaften wurden die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer virtuellen Hauptversammlung mit verkürzter Einberufungsfrist und ohne physische Präsenz der Aktionäre geschaffen. Der Vorstand kann demnach eine virtuelle Hauptversammlung auch ohne Vornahme einer Satzungsänderung anberaumen, wenn ausreichende elektronische Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen, die eine Bild- und Tonübertragung, die Ausübung des Stimm- und Fragerechts der Aktionäre sowie eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss gewährleisten.
Auch für Genossenschaften, Vereine und Stiftungen sind Erleichterungen in Bezug auf die Durchführung von Mitgliederversammlungen vorgesehen. Ohne Ermächtigung in der Satzung kann der Vorstand jetzt seinen Mitgliedern eine virtuelle Teilnahme an der Versammlung und eine elektronische Ausübung ihrer Rechte ermöglichen.
Die Beschlussfassung einer GmbH wurde ebenso neu geregelt: So können Beschlüsse der Gesellschafter auch dann in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen gefasst werden, wenn sie nicht einstimmig erfolgen. Bislang konnte eine Beschlussfassung gem. § 48 Abs. 2 GmbHG nur dann ohne Versammlung erfolgen, wenn das Einverständnis aller Gesellschafter vorlag.
Zudem werden die Voraussetzungen für Abschlagszahlungen an Aktionäre auf den Bilanzgewinn gem. § 59 AktG vereinfacht. Während der Coronakrise kann der Vorstand diese Entscheidung auch ohne Ermächtigung durch die Satzung treffen.

Bei der Eintragung einer Umwandlung reicht es aus, dass gem. § 17 Abs. 2 UwG eine Bilanz vorgelegt wird, die auf einen Stichtag innerhalb von 12 Monaten (statt bisher 8 Monaten) vor der Anmeldung erstellt wurde.


Bitte beachten Sie, dass die obigen Hinweise nur die derzeitige Gesetzeslage wiedergeben, die sich im Laufe der Zeit ändern kann. Auch können die Ausführungen eine auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmte Beratung nicht ersetzen. Weitere rechtliche und aktualisierte Hinweise zur Coronakrise finden Sie auch unter www.derra.eu. Für eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Anwälte von dmp selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.