Alle reden von der bevorstehenden Insolvenzwelle. Auch in Italien. Doch was bedeutet das für deutsche Unternehmen? Wie können bzw. müssen sie sich vorbereiten?
Eigentlich hätte es das Wort „fallimento“ (Konkurs) inzwischen schon gar nicht mehr geben sollen im Vokabular italienischer Juristen. Durch die große Reform des aus dem Jahre 1942 stammenden italienischen Insolvenzgesetzes hätte es durch den Euphemismus „liquidazione giudiziale“ ersetzt werden sollen. Aber daraus wird bis mindestens Sommer nächsten Jahres nichts; das Inkrafttreten der Reform ist coronabedingt verschoben.
Stattdessen dürfte das Virus zum Exodus vieler v.a. kleiner Unternehmen (auch) in Italien führen, die nicht nur die italienische Wirtschaftsstruktur ausmachen sondern – z.B. als Zulieferer – zum Wohle der deutschen Wirtschaft beisteuern.
Was aber ist zu tun, um zu verhindern, dass man als deutsches Unternehmen in der Insolvenz seines italienischen Geschäftspartners zu sehr „Federn lassen“ muss?
Der deutsche Exporteuer und die Insolvenz des italienischen Kunden
Als deutscher Exporteuer ist man – natürlich – gerade jetzt gut beraten, Waren nach Italien nur noch gegen Vorkasse, Bankbürgschaft oder – mindestens – kreditversichert zu verkaufen.
Der Eigentumsvorbehalt als Sicherungsmittel hilft im Zweifel eher wenig, da das italienische Rechtssystem nur den einfachen Eigentumsvorbehalt anerkennt; jeder Form der Verlängerung und/oder der Erweiterung ist bzw. wird unwirksam, sobald die Ware nach Italien verbracht wird.
Und selbst der einfache Eigentumsvorbehalt hilft im Insolvenzfall des Kunden nur dann, wenn dieser aus einer Urkunde mit sog. „sicherem Datum“ / „data certa“ hervorgeht. Das wird von deutschen Exporteuren (meist aus Unkenntnis) oft übersehen. Der in AGB enthaltenen deutsche „Standard-Eigentumsvorbehalt“ ist in der Praxis meist wertlos.
Die „verlängerte Werkbank“ in Italien
Oft lassen deutsche Unternehmen auch nur Teile in Italien produzieren, die dann in Deutschland weiterverarbeitet werden. Das gilt z.B. in starkem Maße für die Automobilindustrie. Und die Werkzeuge oder Maschinen, die dafür erforderlich sind, werden oft vom deutschen Unternehmen oder in deren Auftrag in Italien hergestellt, beim dortigen Lieferanten belassen oder diesem überlassen.
Abgesehen davon, dass in solchen Fällen oft die Abhängigkeit des deutschen Unternehmens vom italienischen Lieferanten plötzlich zum großen Problem werden kann, ist auch hier darauf zu achten, dass das Eigentum am Werkzeug und/oder der Maschine wirklich „insolvenzfest“ gesichert und dokumentiert ist. Auch hier spielt das „sichere Datum“ eine entscheidende Rolle. Denn nur, was mit einem sicheren Datum vor Insolvenzeröffnung versehen ist, kann einem späteren Insolvenzverwalter („Curatore“) entgegengehalten und zur Grundlage eines Herausgabeanspruches gemacht werden. Aber selbst wenn ein solcher als „rivendica“ besteht, ist dessen Durchsetzung oft mühsam, teuer und v.a. langwierig.
Das deutsche Unternehmen als Kreditgeber
Mitunter kommt es auch vor, dass deutsche Unternehmen Kredite an italienische Unternehmen ausreichen. Auch hier ist darauf zu achten, dass der Darlehensvertrag und die darauf aufbauende Zurverfügungstellung des Darlehens durch Anbringung einer „data certa“ insolvenzfest sind. Denn sonst riskiert der deutsche Geldgeber, dass der italienische Insolvenzverwalter die Anmeldung der Darlehnsforderung zur Insolvenztabelle („stato passivo“) schlicht bestreitet. Und dann erhält der Kreditgeber nicht einmal die meist ohnehin sehr magere Quote.
Die Liste der „Fallstricke in italienischen Insolvenzverfahren“ könnte noch lange fortgesetzt werden… Doch:
Was hat es mit der „data certa“ auf sich?
Die „data certa“ kann grundsätzlich auf einem Dokument mit allen Mittel angebracht (und nachgewiesen) werden, die beweiskräftig dokumentieren, dass das Dokument vor einem bestimmten Stichtag (hier der Insolvenzeröffnung) erstellt wurde.
Während dies bis vor einigen Jahren meist dadurch erfolgte, dass das Dokument mit einer Briefmarke versehen wurde und man diese dann bei einer ital. Post abstempeln ließ, hat die italienische Post diesen Service inzwischen eingestellt.
Stattdessen bedient man sich in der italienischen Praxis dafür heute der sogenannten „marca temporale“. Dass ist eine Art digitale Signatur, die ebenso gerichtsfest beweist, dass das Dokument, auf dem sie angebracht ist, vor diesem Tag errichtet wurde. Dazu bedarf es aber einer speziellen Software.
Alternativ kann man aber auch die Unterschriften auf dem Dokument notariell beglaubigen lassen oder eine notarielle Bestätigung einholen, aus der sich ergibt, dass der Notar das Dokument zu einem bestimmten Zeitpunkt in Augenschien genommen hat. Auch ist es möglich, das Dokument beim italienische „Ufficio del registro“ registrieren lassen. Aber das alles kostet natürlich…Doch sind diese Vorsichtsmaßnahmen im Zweifel am Ende immer noch billiger, als dem italienischen „Curatore“ gar nichts entgegenhalten zu können und völlig leer auszugehen.