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Man mag es kaum glauben, aber die Möglichkeit, einer Gerichtsverhandlung in einem Zivilprozess per Bild- und Tonübertragung zu folgen und sich nicht im Gerichtssaal aufhalten zu müssen, gibt es schon seit dem 01.01.2002. Immer wieder verändert, führte § 128a ZPO einen Dornröschenschlaf, bis die Pandemie die Gerichte dazu zwang umzudenken und auch für die entsprechende technische Ausstattung zu sorgen, was mal besser, mal weniger gut gelang. So war von einer „Dunkelnorm“ die Rede (Windau, NJW 2020, 2753). Eine entsprechende Regelung enthält auch § 102a VwGO für verwaltungsrechtliche Verfahren.
Schnell kam auch der bislang nur akademisch geführte Streit an die Oberfläche, ob der „andere Ort“ im Sinne von § 128a ZPO auch im Ausland liegen, sich eine Partei also auch aus dem Ausland zuschalten könne. So lehnte das Landgericht München I in 2020 die Zuschaltung des Geschäftsführers einer Streithelferin mit Sitz im Inland, welcher sich jedoch aus dem europäischen Ausland zuschalten wollte, ab. Neben dem Hinweis auf eine mangelnde technische Ausstattung sah es das Gericht als rechtlich problematisch an, wenn sich Personen aus dem Ausland zuschalteten, weil dann hoheitliche Handlungen auf ausländischem Staatsgebiet erfolgen würden. So sieht es auch die herrschende Meinung – zumindest bislang.
Eingriff in ausländisches Hoheitsrecht?
Nun hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 11.03.2022 (Az. 10 K 4411/19) zu § 102a VwGO entschieden, dass zumindest dann, wenn die Parteien nicht persönlich geladen sind und diese nur freiwillig Äußerungen in der mündlichen Verhandlung abgeben, eine Zuschaltung aus dem Ausland dort keine hoheitliche Wirkung entfaltet. Zudem würden die Prozesshandlungen ja von den Prozessbevollmächtigten wahrgenommen werden.
Ob die Zuschaltung aus dem Ausland also auch dann möglich ist, wenn die Partei förmlich nach § 141 Abs. 1 ZPO vernommen wird, ist damit nach wie vor nicht entschieden. Jedenfalls für den Fall, dass es sich um eine Prozesspartei mit Sitz in Deutschland handelt, der gesetzliche Vertreter sich aber aus dem Ausland zuschaltet, dürften sich die hoheitlichen Wirkungen nicht im Ausland entfalten, denn diese beziehen sich ja auf die Prozesspartei und nicht auf den gesetzlichen Vertreter. Außerdem wird der andere Ort im Sinne von § 128a ZPO nicht zum Gerichtssaal (vgl. BGH NJW 2004, 2311 (2312); anders scheinbar Saenger/Wöstmann, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 128 a Rn. 1; Zöller/Greger, § 128 a Rn. 10), denn die Verhandlung findet trotzdem in Deutschland im Gerichtssaal statt (Windau, NJW 2020, 2753).
Erst recht, wenn es sich um einen Rechtsstreit handelt, bei dem sich Vertreter einer Partei mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat zuschalten, ist gegen die Zuschaltung aus dem Ausland nichts einzuwenden. So sieht bereits Art. 8 Abs. 2 VO 861/2007 (sog. Small Claims-VO) vor, dass einer anzuhörenden Person, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts hat, die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung per Video- oder Telefonkonferenz oder mithilfe anderer geeigneter Mittel der Fernkommunikationstechnologie zu ermöglichen ist.
Fazit:
Obwohl die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg zu § 102a VwGO ergangen ist, entfaltet diese auch Wirkung für die Praxis zu dem insoweit wortgleichen § 128a ZPO. Nach dem auch die EU-Kommission kürzlich einen Verordnungsvorschlag zur Digitalisierung grenzüberschreitender Justizverfahren vorgelegt hat, der explizit Verhandlungen im Wege der Ton- und Bildübertragung regelt, sollte einer Teilnahme per Videokonferenz aus dem (europäischen) Ausland in der Praxis daher nichts entgegenstehen.
Armin Schürer
Rechtsanwalt und Partner
Armin.schuerer@derra-b.de