Durchsuchung bei Steuerberater verfassungswidrig – ohne konkreten Tatverdacht keine Beschlagnahme!

Manchmal ist es verwunderlich, womit sich das Bundesverfassungsgericht befassen muss, wo das Ergebnis doch für jeden Rechtskundigen offensichtlich erscheint. In seinem Beschluss vom 30.11.2021 – 2 BvR 2038/18 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die vorläufige Sicherstellung von Unterlagen und Daten eines nicht selbst beschuldigten Steuerberaters eine Verletzung des Willkürverbots darstellt.

Rechtswidrige Durchsuchung bei einem Steuerberater – was war passiert?

Sowohl die Wohnung- als auch die Geschäftsräume des Steuerberaters S wurden aufgrund Durchsuchungsbeschluss gem. § 102 StPO durchsucht, da S sich der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung zu Gunsten seiner Mandanten A und B schuldig gemacht haben soll. Später stellte das zuständige Landgericht fest, dass der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig ist, da gegen S von vornherein kein Anfangsverdacht einer eigenen Straftat in Form der Beteiligung vorgelegen hat. Dennoch sei die Beschlagnahme der bei der Durchsuchung bei S gefunden Unterlagen und Daten rechtmäßig, da diese sich nur auf A und B bezögen.

Die Begründung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme des Landgerichts klingt hierbei doch sehr befremdlich. So führte es aus, dass es sich zwar bei einem Steuerberater um einen Berufsgeheimnisträger im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO handelt, woraus möglicherweise ein Beweisverwertungsverbot folge, jedoch kein Beschlagnahmeverbot. Das Gericht erkenne zwar an, dass Ermittlungsmaßnahmen bei zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern unzulässig seien und diese Erkenntnisse dürften gemäß § 160a Abs. 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht verwertet werden. Dies gilt aber grundsätzlich nur, sofern der Berufsgeheimnisträger nicht selbst der Teilnahme an der Tat verdächtig ist. Dies ergebe sich aus § 160a Abs. 4 StPO. Nach dieser Norm sei, auch im Fall eines sich nachträglich ergebenden Verdachts der Beteiligung des Berufsgeheimnisträgers, eine Verwertung der insoweit erlangten Erkenntnisse zulässig. Trotz der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung sei es, nach Auffassung des Landgerichts, erst im Rahmen der Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen und des weiteren Verfahrens zu klären, ob ein Beweisverwertungsverbot bestehe. Ein sich eventuell ergebendes Beweisverwertungsverbot stehe einer Beschlagnahme nicht entgegen.

Dieser Ansicht verpasste das Bundesverfassungsgericht eine eindeutige Abfuhr.

Beschlagnahme zur Begründung eines Verdachts ist verfassungswidrig

So verstößt nicht jede fehlerhafte gerichtliche Entscheidung gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein Verstoß kommt nur in Betracht, wenn die richterliche Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist. Dies sieht das Bundesverfassungsgericht hier als gegeben an.

Bei einer Durchsuchung müsse zum Entscheidungszeitpunkt ein Anfangsverdacht bestehen und die anschließende Durchsicht von Unterlagen zur Auffindung von Beweismitteln müsse geeignet und verhältnismäßig sein. Ungeeignet sei eine Durchsuchung insbesondere, wenn Beweismittel aufgespürt werden sollen, die einem Beschlagnahmeverbot oder einem sonstigen Verwertungsverbot unterliegen.

Verfassungswidrig habe sich das Landgericht bei seiner Entscheidung nicht mit dem Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO beschäftigt. Unbeachtlich sei im Ergebnis, dass das Landgericht seine Entscheidung fälschlicherweise auf § 160a Abs.1, Abs. 4 S. 1 StPO stützt, obwohl dieser gerade nicht auf § 53 Abs.1 Nr. 3 StPO verweise und darüber hinaus ein gemäß § 160a Abs. 5 StPO nach herrschender Auffassung vorrangiges Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 StPO im Raum stehe, das auch Gegenstände im Gewahrsam des nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten S umfasst.

Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass ein Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 2 S. 2 StPO nur dann nicht in Betracht komme, wenn bei einem selbst beschuldigten Zeugnisverweigerungsberechtigten durchsucht wird. Dies allerdings nur, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist. Erforderlich sei, dass ein konkretisierter Tatverdacht gegen den Zeugnisverweigerungsberechtigten selbst besteht. Durchsuchungen, Durchsicht oder Beschlagnahme dürfen nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sein.

Zwingende Voraussetzung ist demnach, dass der gegen einen Verdächtigen, insbesondere, wenn dieser zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gerichtete Tatverdacht im Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung vorliegt. Entsteht ein Tatverdacht erst durch das (unzulässig) beschlagnahmte Beweismittel, so verstößt dies gegen § 97 Abs. 1 StPO und führt zu einem Beschlagnahmeverbot.

Die Ausführungen des Landgerichts dahingehend, dass die beschlagnahmten Unterlagen nur die gesondert verfolgten A und B beträfen und die Verwertung der Unterlagen, trotz Rechtswidrigkeit der Durchsuchung rechtmäßig sei, seien unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar. Die Voraussetzungen einer Durchsicht von bei einem Berufsgeheimnisträger sichergestellten Gegenständen werde auf diese Weise derart weit unter das von der Strafprozessordnung vorgegebene Maß abgesenkt, dass die Beschlüsse einer Prüfung am Willkürmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht standhielten.

Fazit: Bundesverfassungsgericht setzt Willkür Schranken

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss die Rechte von Berufsgeheimnisträgern untermauert, wobei diese Entscheidung für einen Rechtskundigen offensichtlich ist, widerspricht die Entscheidung des Landgerichts doch gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Doch, dass sich das Bundesverfassungsgericht damit beschäftigen muss, zeigt mal wieder, mit welcher Willkür manche Gerichte „Recht“ sprechen. Umso wichtiger ist es, sich einen guten Rechtsbeistand zu suchen. Gerne helfen wir von dmp Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Rechte.

Florian Falkenroth

Rechtsanwalt
dmp@derra-ul.de